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1722-1750 | 1750-1758 | 1758-1945 | nach
1945 |
Das
Schloss in der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR
(1945-1990) von Stefan Schüler1 |
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Nachdem
das Schloss den Krieg relativ unbeschadet überstanden
hatte, gab es ausgebombten Städtern und anderen nun
heimatlosen Kriegsverlierern eine sichere Bleibe. Im Zuge der
Bodenreform wurden Gut und Schloss
Dornburg enteignet. Entsprechend des Befehls 209 der Sowjetischen
Militäradministration (SMAD) vom 9. September 1947 sollten in
Sachsen-Anhalt
7000 Neubauernhöfe aus dem Schutt der zerstörten
Städte und Betriebe, vor allem
aber aus noch abzureißenden Schlössern und
Herrenhäusern entstehen.2
Provinzialkonservator Wolf
Schubert hatte bis März 1947 eine Liste zu
schützender Bauten, die infolge der Bodenreform 1945 an das
Land gefallen waren
erarbeiten lassen. Unter den hier aufgeführten 591 Objekten
befindet sich auch
Schloss Dornburg und genießt sogar die höchste
Priorität.3 Schon
eine notdürftige
Dachreparatur hätte ausgereicht, um mindestens 3000
Quadratmeter Wohnraum und
dazu noch einmal knapp 1000 Quadratmeter Lagerraum in den riesigen
Kellergewölben zu sichern. Stattdessen wollten die neuen
Machthaber aus
ideologischen Gründen lieber das relativ intakte
Gebäude sprengen, um
Baumaterial für ein paar Bauernhäuser zu gewinnen.
Treibende Kraft hierfür war
der Zerbster Kreistag, vor allem die SED-Fraktion.4
In
Dornburg rechnete man
täglich mit dem Auftauchen des Sprengmeisters und der
SMAD-Befehl hatte die
zukünftigen Neubauern ausdrücklich zur
Selbstbedienung aufgefordert, was nun
alle Anwohner gern taten. Schließlich waren Glasscheiben,
Eichenbalken und
Fußbodenplatten Mangelware und nach einer Sprengung
unbrauchbar. Der Dornburger
Ortschronist Karl Ulrich beklagt, dass "der
herrliche Barockbau
mangels notwendiger Aufsicht durch mutwillige Zerstörung
seitens der
Bevölkerung mit Riesenschritten dem Verfall entgegen"
geht.5
Die Ortsakte der Denkmalpflege vermerkt z. B. am
19. Juni 1947, dass größtenteils nur eine
Dachdeckung mit Pappe, ohne
Schiefer vorhanden ist, eine Eindeckung mit Pappe als Minimalsicherung
wird
vorgeschlagen. Vom 28. Januar 1948 existiert ein weiter Bericht, wonach
die
Bauschäden erst nach Kriegsende eingetreten sind. Jetzt dringt
Wasser ein und
beginnt die Geschoßdecken ("z. T. handelt es sich um
beachtenswerte
Stuckdecken") zu zerstören. Ein
Unterzugbalken im rechten (nördlichen, S. Schüler)
Treppenhaus ist abgestürzt,
dabei wurde auch eine Sandsteinstufe beschädigt. Am
5. Mai 1948 wird
vermeldet, dass im Januar noch alle Zimmer zugänglich waren,
jetzt aber durch
Plünderungen der Deckenbalken bereits Wände
eingestürzt sind.6
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Das verfallene Schloss im Jahre 1954. Foto: H. Dieck |
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Mario Titze berichtete beim 1.
Stengelsymposium7
ausführlich vom Kampf der
Denkmalpfleger um die Erhaltung
des Baudenkmals, der vom Juni 1947 bis zum Mai 1953 hin und her wogte.
Die
Rettung des letzten Stengel-Schlosses haben wir wohl vor allem dem
zähen
Kampf der Denkmalpfleger Hans Berger und Heinrich Schuster4
zu verdanken. Letzterer hatte sogar die
gerade
neu heraufbeschworene
"Deutsch-Sowjetische-Freundschaft" in die Waagschale geworfen, indem er
erklärte, dass der Schlossbau auch mit russischen
Geldern bestritten
worden wäre.8
Trotz allen
ideologisch
bedingten Zarenhasses war Katharina II. in der Sowjetunion relativ
beliebt.
Wäre es nicht einer Demontage von "Mütterchen
Russland" gleich
gekommen, wenn man das Heim vom "Mütterchen" der Zarin
abreißen würde? Neun Jahre nach dem Kriegsende wurde
nun endlich das Dach gesichert. Durch das teilweise Einziehen von
Massivdecken9
wurden die letzten Reste des barocken Deckenstucks vernichtet, wobei
unklar
bleibt, wie viel nach dem jahrelangen Verfall überhaupt noch
zu retten
gewesen wäre. Leider verschwand auch das inzwischen
zusammengestürzte
nördliche Treppenhaus, und der Saal im 2. Obergeschoss erhielt
ein raumentstellendes Zwischengeschoss. Im Jahre 1959 fand sich mit der
Staatlichen Archivverwaltung Potsdam endlich ein neuer Nutzer,
nachdem
die Hauptverwaltung Film beim Ministerium der Kultur in Berlin von
ihren
Plänen zurückgetreten war. 1960 wurde eine
Zentralheizung installiert,
die dem Schlossdach einen weiteren Schornstein bescherte. Erst 1962/63
wurde
auch der Fassadenputz erneuert und ein neuer Anstrich vorgenommen,10
der aber leider keine Rücksicht
auf
die ursprünglich
weiße Farbgebung nahm. Die Fenstergatter wurden nur an der
Hofseite
wieder angebracht. Auch die weiteren Schmiedearbeiten (Balkongitter,
Gitter
des Belvedere und Treppengeländer) wurden renoviert,
ohne ihnen die ursprüngliche
Teilvergoldung zurückzugeben. Obwohl ab 1966 mit wechselnder
Intensität an der Attika gearbeitet wurde,
mussten die Figuren 1990 herabgenommen
werden.
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet gäbe es wohl einiges an
den Restaurierungsarbeiten zu DDR-Zeiten zu kritisieren, aber man
sollte auch den Materialmangel und das zu dieser Zeit Machbare
beachten. Der größte Teil der noch vorhandenen
Bausubstanz des 18. Jahrhunderts wurde gerettet. Brandstiftungen an den beiden südlichen Wirtschaftsgebäuden 1963 und 1964 gaben dem Ministerium des Innern den Anlass für die völlige Abschottung des Schlosses, zeitweise war sogar das Fotografieren verboten. Folglich sprach man schon bald vom Geheimarchiv (siehe Beitrag von Dr. J. Kornow zum 2. Stengel-Symposium 1997, hier). Touristen waren hier nicht sehr willkommen. Friedrich Joachim Stengels letzter erhaltener Schlossbau geriet immer mehr in Vergessenheit. Selbst ein Paukenschlag sollte das Schloss nur kurzzeitig aus seinem Dornröschenschlaf reißen. Der Stadtverband Saarbrücken wollte das ebenfalls von Friedrich Joachim Stengel erbaute Saarbrücker Schloss rekonstruieren. Bereits 1793 war es bei Kämpfen zwischen preußischen Truppen und französischen Revolutionssoldaten in Brand geraten. Weitere Substanz ging durch Umbauten 1810 und 1870-1872, aber auch durch Bombenschäden 1944 verloren. Die baulichen Ähnlichkeiten zum Dornburger Schloss (siehe oben) ließen wertvolle Rückschlüsse auf Stengels Saarbrücker Planungen erhoffen. Leider hatten aber die beiden deutschen Staaten keinen Vertrag geschlossen, der die gewünschten wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem DDR-Gebiet geregelt hätte, von der Vermessung eines Objektes des Ministerium des Innern (in dem brisante Akten lagerten) einmal ganz zu schweigen. Aber 1977 standen die Zeichen so günstig, dass der Stadtverbandspräsident von Saarbrücken, Klaus Maria Heinemann, einen Brief an den gebürtigen Saarländer schrieb, der es im "Arbeiter- und Bauernstaat" bis zum Vorsitzenden des Staatsrates gebracht hatte. Der stellvertretende Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung", Erich Voltmer, und Erich Honecker kannten sich seit ihrer Jugend, weshalb der Staatsmann wohl gern dem alten Freund ein Interview gewährte und bei dieser Gelegenheit auch gleich noch der gewünschten Ost-Exkursion zustimmte. Angeblich soll Honecker nur seinen Referenten gefragt haben, ob das Dornburger Schloss zugänglich sei. Dieser dürfte wohl eher an die Dornburger Schlösser in Thüringen gedacht haben, weshalb ihm die positive Antwort leicht fiel. Wenn die alte Dornburg-Verwechslung mal wieder am Anfang der Geschichte stand (siehe Dornburger Kaiserpfalz), so dürfte man den ersten Mann des Staates bald darüber aufgeklärt haben, trotzdem hielt er an seiner Zusage fest. Um so schwerer fiel es der zuständigen Magdeburger Bezirksparteileitung, die Anordnung ihres obersten Chefs in die Tat umzusetzen, da dieses Unternehmen eine völlig neue Dimension in den Deutsch-Deutschen-Beziehungen darstellte. Alle Abgeordneten des Saarbrücker Stadtverbandes, Denkmalpfleger, Architekten, Journalisten, darunter ein ARD-Kamerateam waren eingeladen, ein ehemaliges Fürstenschloss im real existierenden Sozialismus zu besichtigen. Vom 29. Juni bis zum 2. Juli 1977 wurde den Besuchern aus Deutschlands tiefstem Westen ein "buntes Programm" geboten, das wohl unter dem Motto "Die Errungenschaften des Sozialismus" stand. Neben der gewünschten Dornburger Architektur, durften die Gäste auch noch die modernen Auswüchse dieser Kunstgattung in Magdeburger Neubaugebieten studieren. Die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsicherheit, die uns die damaligen Vorgänge aufgezeichnet haben, mussten einige Überstunden leisten, um ein "Geheimarchiv" vor dem Überfall durch 60 potentielle Agenten zu beschützen. Bevor sich in Dornburg die DDR von ihrer Schokoladenseite zeigen konnte, mussten hier einige Vorkehrungen getroffen werden. Zur Demontage des 2. Zaunes der Hundelaufanlage wurden Kräfte des Wachregimentes "Feliks Dzierzynski" aus Berlin abkommandiert, da diese übertriebene Sicherung wohl zu sehr den DDR-Grenzanlagen zur BRD ähnelte. Außerdem mussten im Innern noch einige Akten umorganisiert werden, bevor die Saarbrücker Delegation tatsächlich ungehindert messen, fotografieren und filmen konnte und sogar die Tagesschau darüber berichtete. Letztendlich konnte man auf beiden Seiten des "Eisernen Vorhanges" die gesamte Aktion als Erfolg verbuchen. Das
Schloss im wiedervereinigten Deutschland (ab
1990)
Nach der deutschen Wiedervereinigung übernahm die Bundesrepublik das Archivmaterial und ließ es 1992 abtransportieren. Großzügig schenkte man das leere Gebäude dem Land Sachsen-Anhalt, das es nach mehreren gescheiterten Verkaufsversuchen dem Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege zur Nutzung überließ. Nachdem 1999 bis 2001 der Dachbereich und Teile der Attika vorbildlich restauriert worden waren, entschied man sich 2008 doch wieder für einen Verkauf des Denkmals. |
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Göttinnenfiguren und Allianzwappen an Hofseite des Mittelpavillons nach der Dachsanierung 2001. |
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