Schloss Dornburg an der Elbe
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 Dr. J. Kornow: Nutzung und Erhaltung des Stengel-Schlosses Dornburg ...
S. Schüler: Zur Deutung der Putti auf der Attika des Schlosses
O. Dimmig: Das bekannte Planmaterial zu Schloß Dornburg ...
Prof. G. Smirnov: Der Fund von Bauplänen ... für Schloß Dornburg
O. Dimmig/S. Schüler: Weitere Erläuterungen zu den o. g. Bauplänen (Im Nachgang zum Symposium)

Nutzung und Erhaltung des Stengel - Schlosses Dornburg
in Zeiten der ehemaligen DDR

Erstes Friedrich-Joachim-Stengel-Fest in Anhalt - Beiträge zum Symposium 1997
Oberarchivrat Dr. Kornow , Greifswald


Meine Damen und Herren,

wie Sie wissen, hat der Schlossbau Friedrich Joachim Stengels in Dornburg an der Elbe in DDR-Zeiten der Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Innern als Archivdepot gedient. Da ich hier einige Jahre als dessen Leiter gearbeitet habe, bin ich insbesondere von Dornburger Mitgliedern der Stengel Gesellschaft um einen Beitrag zu diesem Symposium gebeten worden. Vor allem interessiert die Hiesigen natürlich die Beantwortung der Fragen, welche Aktenbestände hier gelagert waren und was es mit dem sogenannten Geheimarchiv auf sich hat. Allen Stengel-Verehrern, die in jenen Jahren keine Gelegenheit hatten, sich ein Bild vom jeweiligen Zustand des Baues zu machen, soll ich in gebotener Kürze darlegen, wie die dafür Verantwortlichen und die hier Tätigen mit dem Baudenkmal umgegangen sind. - Kommen wir also zur Sache!

Als im Ringen um Gemeineigentum und Privatbesitz letzterer die Oberhand gewann, wurde es erforderlich, eine Möglichkeit seiner Registrierung zu finden. Über vielfältige Stufen kam es zur Schriftlichkeit. Fortan werden Besitztümer registriert und im Interesse eines möglichst ungebrochenen Besitznachweises archiviert. Seitdem hat die Menschheit die Bescherung mit den Archiven.

Bibliotheken, Galerien und Museen sind uns allen bekannte Größen. Für die Öffentlichkeit am wenigsten durchschaubar sind aber bis heute die Bestände und das Wirken der Archive, und so gelangt schnell der Begriff "Geheimarchiv" in den Sprachgebrauch. Wenn das zuträfe, gäbe es solche in allen Residenzen und entlang aller Ströme. Archive gibt es von Athen bis Zürich, und in ihnen allen existieren Vorschriften, die ihre Benutzung regeln.

Nach dem Exitus der nazistischen Verwaltungen, nach Boden- und Industriereform hatten die in der Sowjetischen Besatzungszone gelegenen Archive Unmassen dienstlichen Schriftgutes in ihre Obhut zu übernehmen, sofern es nicht zuvor schon unkontrolliert vernichtet worden war. Doch die vorhandenen Archive quollen über, und andere Obhutstätten waren in den durch den Krieg weitgehend zerstörten Gebieten kaum vorhanden. Was noch einigermaßen bewohnbar schien, wurde Unterkunft von Opfern anglo-amerikanischer Bombenangriffe, von vor der Roten Armee Geflohenen und Vertriebenen aus den Ostgebieten.

Den daraus erwachsenen Belastungen vermochten die Archivare nur zum Teil zu entsprechen. Zonenweit vorhandener Geld-, Material-, Personal- und Raummangel ließen unter den Bedingungen der Ost-West-Konfrontation, des "Kalten Krieges", Lösungen der anstehenden Probleme nicht zu, wie aus den einschlägigen Fachliteratur vielfach belegt ist. Kaum hatten die Archivare den enormen Belastungen so einigermaßen entsprochen, brachte die Verwaltungsreform des Jahres 1952 erneut einen riesigen Zustrom dienstlichen Schriftgutes in die Archive. Leider hatten archivalische Quellen, die für eine realistische Einschätzung der Geschichte unerlässlich sind, im Ministerium des Innern der DDR nur einen geringen Stellenwert. Dort rangierten Feuerwachen, deren Notwendigkeit unbestritten ist, weit vor jedem Archivbau. Also mussten die Archivare versuchen, einigermaßen erhaltene und für ihre Zwecke brauchbare Altbauten zu bekommen und in der erforderlichen Weise herzurichten. So trat Schloss Dornburg an der Elbe etwa 1960 in das Blickfeld des Magdeburger Staatsarchivs und bald darauf der Staatlichen Archivverwaltung. Damit begann die "Archivzeit" des Stengel-Baues. Aus dem Umstand, dass das Archivwesen der DDR aus zentralstaatlichen Vorstellungen beim Innenministerium eingebunden war, ergab sich die Möglichkeit, dessen Potenzen u. a. auch für die Erhaltung des Baudenkmals zu nutzen, was ihm in den folgenden beiden Jahrzehnten sehr zugute kam.

Ein weiterer Vorteil war es, dass in der Staatlichen Archivverwaltung vielfach tüchtige und redliche Mitarbeiter des Ministeriums des Innern der DDR "abgestellt" waren, die sich dort insbesondere durch gelegentliches oder häufigeres Abweichen von der Parteilinie unbeliebt gemacht hatten. (Deshalb bezeichneten Eingeweihte die Archivverwaltung hinter vorgehaltener Hand gern als den "Heldenfriedhof des MdI".) Zu ihnen gehörte z. B. Otto Meier, einer der sozialdemokratischen Väter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Rudolf Herrnstadt bekam in der Abteilung Merseburg des Deutschen Zentralarchivs Gelegenheit, sich abseits politischer Entscheidungen zu beschäftigen. Etwas gnädiger ging man mit dem verdienstvollen Karl Schirdewan um, der den Mut gehabt hatte, sich Walter Ulbricht zu widersetzen, und deswegen gestürzt worden war. Er wurde Leiter dieser Behörde.

Mit der ihm wesenseigenen Energie schuf Schirdewan ein "Archivhilfsprogramm", das er zielstrebig zu verwirklichen suchte. So wurden historisch bedeutsame Bauwerke wie die Orangerie in Wernigerode, der Marstall in Ludwigslust, die Schlösser in Barby, Coswig, Cossenblatt, Möckern, Oranienbaum und eben auch Dornburg für Archivzwecke hergerichtet, damit einer sinnvollen Nutzung zugeführt und vor dem Zerfall bewahrt. Der "Baustab" der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei in Magdeburg, vertreten durch den Major Otto Munck, übernahm die bauliche Betreuung des Schlosses. Der erfüllte seine Pflichten hingebungsvoll. Bald entstand der Eindruck, dass er froh war, eine Aufgabe jenseits des Alltags von Baracken, Bunkern und Kasernen zu haben.

Nach Beendigung der wichtigsten Umbauten wurde das Schloss zügig mit Akten belegt. Vor allem wurden hier Bestände untergebracht, die eigentlich in die Zuständigkeit des Deutschen Zentralarchivs Potsdam gehörten. Das waren z. B. der Teilbestand "Wehrmachtsauskunftstelle Ost" sowie die Bestände "Deutsche Umsiedlungstreuhandgesellschaft" und "Bonner Kliniken". Ich denke ferner an das Sammelsurium "Konzentrationslager und Haftanstalten", wozu die Buchenwalder Häftlingskartei gehörte. Die Archive der Freimaurerlogen Deutschlands bedürfen ebenso der Erwähnung wie die Akten der sogenannten "Kriegsgesellschaften", die während des 1. Weltkrieges die kriegswichtigen Wirtschaftszweige zu koordinieren hatten. Schließlich sei hier auch der Bestand des Versorgungsamtes Rostock genannt.

Nachdem die "Partei- und Staatsführung der DDR" von der "Volkskammer" das Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem hatte verabschieden lassen, mussten auch Aktivitäten für die Sicherung des Nachwuchses an Archivaren entfaltet werden. Jedoch durfte der archivarische Facharbeiter nicht "Archivgehilfe" genannt werden, wie es nahe gelegen hätte. So ging der Begriff des "Archivassistenten" in die deutsche Archivgeschichte ein. Da im Dornburger Schloss genügend Internatsplätze vorhanden waren, sollte hier eine zentrale Ausbildungsstätte für diese Berufsgruppe geschaffen werden. Diese Aufgabe wurde mir übertragen, und so kam ich im Mai 1965 nach Dornburg. Kaum hatte ich mit meiner Familie die im Schloss eingerichtete Wohnung bezogen, verabschiedete sich die Archivverwaltung unter ihrem neuen Leiter, dem Diplomjuristen und Generalkonsul der DDR Walter Hochmuth, von den genannten Absichten.

Seltsamerweise war selbst mir, dem Leiter des Archivdepots, anfangs der Zugang zu einigen Schlossräumen verwehrt. Doch bewirkte mein heftiger Protest bei der Abteilung "Auswertung" der Staatlichen Archivverwaltung, dass das Verbot für mich aufgehoben wurde. Als ich die Räume schließlich inspizierte, fand ich Karteien, von denen in Kollegenkreisen mit gebotener Vorsicht und gemischten Gefühlen gesprochen worden war. Damals war von einem Tresorkeller des Innenministeriums in der Berliner Mauerstraße die Rede gewesen, dessen Versiegelung gelöst worden sei und aus dem umfängliche Karteien der Wehrmachtsauskunftsstelle Ost ans Tageslicht gekommen wären. Dem Vernehmen nach hätten sie bis etwa 1949 der Erteilung von Auskünften an das Deutsche Rote Kreuz über gefallene deutsche Wehrmachtsangehörige gedient und wären nach Einstellung dieser Korrespondenz dort gelagert worden. Stichproben zeigten mir, dass in ihnen nicht nur deutsche Kriegsopfer, sondern auch Angehörige anderer Nationen erfasst worden sind, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und darin verstorben waren.

Während meiner drei Dornburger Jahre kamen im Rahmen eines Archivalienaustausches mit Polen Personalakten der Oberpostdirektion Breslau hierher. Historisch bedeutsamer war die Archivierung der "GARKREBA", der Garantie- und Kreditbank-Aktiengesellschaft. Hierbei handelt es sich um Akten einer SAG, also einer Sowjetischen Aktiengesellschaft, über die die Reparationsleistungen der SBZ/DDR gegenüber der UdSSR abgerechnet wurden. Zu nennen wäre auch noch das sogenannte "Siemensarchiv", das Archivalien der Konzernleitung enthielt, von denen ich nicht weiß, woher, wie und warum sie nach Dornburg gelangten.

Unsere Arbeit bestand in erster Linie in der Ordnung und Verzeichnung der bei uns eingelagerten Bestände. So wurde der genannte Bestand KZ/Haftanstalten verzeichnet und die Häftlingskartei des KZ Buchenwald aufgeschlüsselt. Da viele Häftlingsnummern dutzendfach belegt waren, mussten wir versuchen, über das sogenannte Dehnalphabet an die Häftlingsnamen zu kommen. Verzeichnet, geordnet und bewertet werden musste ferner die DUT, eine von der Volksdeutschen Mittelstelle beim Reichsführer SS gegründete Einrichtung. Über sie war die Aktion "Heim ins Reich" abgerechnet worden.

Viele Anfragen erreichten uns über die Staatliche Archivverwaltung. Sie kamen überwiegend aus Dänemark, Frankreich und Norwegen. An der Tagesordnung waren auch Auskunftsverlangen aus Versorgungsämtern und aus dem Bereich der ehemaligen Oberpostdirektion Breslau. Zu diesen Arbeiten wurden hauptsächlich Lehrlinge oder Studenten der archivarischen Bildungseinrichtungen herangezogen.

Ein besonderer Arbeitsschwerpunkt ergab sich aus der Umsetzung des Ministerratsbeschlusses vom 28. Mai 1964 über die Erfassung und Auswertung der in der DDR vorhandenen Dokumente aus der Zeit des Hitlerismus (Gbl. d. DDR, Teil II, S. 575). Mehr als 1,5 Millionen Karteiblätter wurden von Mitarbeitern, Lehrlingen, Studenten und Veteranen in monatelanger Arbeit gesichtet und zugeordnet. Im Haupttreppenhaus hatten wir eine Gedenkstätte für anhaltische Antifaschisten eingerichtet, die 1933 in den Kellerräumen dieses Schlosses drangsaliert worden waren. Oft hatten wir auch ehemalige KZ-Häftlinge zu Gast, die uns aus ihrem Leben und von ihren Leiden berichteten. Durch all das fühlten wir uns unserer Arbeit besonders verpflichtet. Es gab mir jedoch sehr zu denken, dass diese Herren die Entwicklung der DDR unter der Regieführung von Walter Ulbricht unverblümt kritisierten.

Am Ende dieser Arbeit stand eine von Albert Norden, dem Sekretär des Politbüros des Zentralkomitees der SED, der Weltöffentlichkeit offerierte Publikation, auf deren Inhalt wir keinen Einfluss hatten. Was darin unter dem Titel "Braunbuch - Kriegsverbrecher und Naziaktivisten in der Bundesrepublik Deutschland" veröffentlicht worden war, entsprach, soweit ich das zu erkennen vermochte, durchaus den aus den Quellen ermittelten Fakten. Jedoch befremdeten mich offensichtlich gezielte Auslassungen, durch die der Wert der ausgewählten Archivalien für eine objektive Beurteilung der in ihnen festgehaltenen Vorgänge zum Teil beträchtlich gemindert wurde.

Der archivtechnische Ausbau des Schlosses wurde sehr rücksichtsvoll vorgenommen. Weder Kosten noch Mühe wurden bei der Sanierung des Daches und der Wiederherstellung der Balustrade gescheut. Große Schwierigkeiten bereitete insbesondere die Beschaffung des Schiefers und der Kupferbleche. Mitarbeiter der auf Denkmalpflege spezialisierten Magdeburger Firma Schuster waren unsere Dauergäste. Jahr für Jahr wurden mehrere hunderttausend Mark allein aus dem Haushalt des MdI für den Erhalt bzw. die Restaurierung des Stengel-Baues eingesetzt.

Allein in den drei Jahren meines hiesigen Wirkens flossen wohl fünfhundert- bis siebenhunderttausend Mark in die bauliche Unterhaltung des Objekts. Anfangs gab es außerdem finanzielle Hilfen durch die Denkmalpflege, doch vermag ich dazu Genaueres heute nicht mehr zu sagen. Präzise Aussagen würde die Auswertung der von der Staatlichen Archivverwaltung geführten Bauakten ermöglichen, die meines Wissens von der Oberfinanzdirektion Magdeburg übernommen worden sind.

Bürgerinnen und Bürger von Dornburg sowie die auf dem ehemaligen Gutshof angesiedelte LPG halfen bei der Gestaltung und Pflege des Umfeldes, der Zufahrt zum Schloss und bei der Herrichtung einer Badestelle an dem hinter dem Bau gelegenen See. Das erleichterte es mir, bei meinen Vorgesetzten dann und wann zu erreichen, dass ausgewählte Räumlichkeiten des Schlosses zu besonderen Anlässen für die Dorfbevölkerung geöffnet werden durften. Wir erhofften uns eine Zukunft, in der es allen gut gehen sollte, die ihr täglich Brot durch ehrliche Arbeit verdienen. In unserem Miteinander sahen wir das beste Mittel, mit den systembedingten Unzulänglichkeiten wenigstens so einigermaßen fertig werden zu können.

Im Februar 1969 wurde ich ins Nordland versetzt. Dornburg verließen wir ungern. Offizielle Informationen über das Archivdepot gab es zunächst spärlich, bald immer seltener. Nur auf Umwegen erfuhr ich etwa in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, dass Teile des Archivdepots unter Oberst a. D. der Volkspolizei Erhard Ziegler in die Verfügungsgewalt einer Arbeitsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit überführt worden sein sollte. Eine Karte aus Dornburg signalisierte uns: "In Eurer Wohnung sitzt jetzt eine Sicherheitsnadel!"

Bei privaten Begegnungen mit Dornburger Freunden spürten wir das Unbehagen. Die Abschottung des Schlosses war stärker geworden. Für die Einheimischen war nicht mehr nachvollziehbar, wer "da oben" bei wem beschäftigt ist und wer was macht. Misstrauen hatte sich in dem vorher so friedlichen Dorf breitgemacht, leider auch gegenüber dem einen oder anderen, der wirklich in Diensten des Archivwesens stand und nicht das geringste mit der Stasi zu tun hatte. In Staaten, die selbst völlig unbescholtene Bürgerinnen und Bürger bespitzeln lassen, kann so etwas natürlich nicht ausbleiben.

Wer dort tatsächlich für den Staatsicherheitsdienst gearbeitet hat und welcher Art deren Aufgaben waren, kann bestenfalls nach Einsichtnahme in eventuell vorhandene Unterlagen gesagt werden. Aus dem beruflichen Umfeld ist mir lediglich zu Ohren gekommen, dass der Innenminister, der Minister für Staatssicherheit und der Generalstaatsanwalt der DDR zu jener Zeit vereinbart haben sollen, Strafakten der Staatsanwaltschaft der DDR nicht mehr in die Zuständigkeit der Staatsarchive zu geben, sondern solche in eben dieses Archivdepot zu bringen. Das ist vermutlich auch geschehen, und es ist anzunehmen, dass diese Bestände bis zur Fertigstellung des Zentralen Verwaltungsarchivs des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg hier bearbeitet und verwaltet worden sind. (Es spricht Bände, dass dies der einzige Archiv-Neubau ist, den die DDR zustande gebracht hat.)

Mehr habe ich nicht zu sagen.


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