Schloss Dornburg an der Elbe
Geschichte Baumeister Ruf nach Hilfe Galerie Verein Öffnungszeiten Impressum
Vorgängerbauten Schloss
Bauherrin Gärten Kirche Wirtschaftsgebäude
1722-1750 1750-1758 1758-1945
nach 1945

Das Schloss unter Zerbster Herrschaft (1758 -1793)
von Stefan Schüler

Seit der Flucht der Zerbster Herrscher hielt Friedrich II. von Preußen das Land in seiner Hand. Die Untertanen litten unter Kontributionszahlungen, Zwangsrekrutierungen und Einquartierungen der preußischen Soldaten. Weihnachten 1761 verstarb Zarin Elisabeth, und auf den russischen Thron folgte Peter III., der den Preußenkönig stets verehrt hatte. Nur deshalb ließ er alle Kampfhandlungen gegen Preußen einstellen, was den Ausgang des Siebenjährigen Krieges maßgeblich beeinflusste, ihm selbst aber den Verdruss der russischen Patrioten einbrachte und seinen späteren Sturz durch seine Frau mit vorbereitete. Schon im September 1762 wurde die ehemalige Dornburger Prinzessin zur Zarin gekrönt. Spätestens seit dem Friedensschluss 1763 hätte Friedrich August von Anhalt-Zerbst in sein Ländchen zurückkehren sollen, aber genau hierzu war er nicht zu bewegen. Friedrich August starb kinderlos am 3. März 1793 in Luxemburg und wurde auch dort bestattet. Nach einer gemeinsamen Übergangsregierung wurde die Herrschaft Zerbst auf die verbliebenen anhaltischen Fürstenhäuser Bernburg, Dessau und Köthen am 28. Dezember 1797 aufgeteilt. Das Amt Dornburg fiel durch Losentscheid an Köthen. Schloss Dornburg dürfte seit 1758 kein Mitglied der fürstlichen Familie mehr betreten haben. Trotzdem scheint hier seit 40 Jahren die Zeit stehengeblieben zu sein, denn immer noch war eine Kastellanin eingesetzt, der man das oben zitierte Inventarverzeichnis1 übergab, Gärtner betreuten Obstbäume und exotische Pflanzen (vgl. Beitrag zu den Gärten). Nach den Zerbster Kammerrechnungen wurden bis zum Jahre 1796 die Fenster und Spiegel im Schloss geputzt und die Schornsteine gereinigt. Außerdem wurde ständig das Dach ausgebessert.

Das Schloss unter Köthener Herrschaft (1797-1847)

Der neue Besitzer war Fürst August Christian Friedrich (1769-1812) von Anhalt-Köthen.
Nach Gerhard Heine regierte er "sein Land mit militärischer Strenge, mit Willkür und Heftigkeit; durch eine sehr kostspielige Reise nach Paris suchte er Napoleons Gunst zu gewinnen, doch beachtete ihn dieser nicht."2 Trotzdem schien seine Begeisterung für den Kaiser der Franzosen keine Grenzen zu kennen. Nach dem (mehr oder weniger freiwilligen) Eintritt Anhalts in den Rheinbund im Jahre 1807 wurde die Standeserhöhung zum Herzog bestätigt und das Land hatte ein Kontingent für die französische Armee zu stellen. Christian August Friedrich führte den "Code Napoleon" ein und reorganisierte die Verwaltung seines Ministaats nach französischem Vorbild. Am 1. März 1811 trat die Einteilung Anhalt-Köthens in ein Departement, Distrikte und Kantone in Kraft.3 Da der Aufwand für das kleine Land unnötig und zu kostspielig war, wurde dies nach dem Tod des Herzogs zurück genommen.

Offensichtlich fand August Christian Friedrich Gefallen am Dornburger Schloss, da hier 1802 und 1803 wieder gebaut wurde. Nachdem Forstmeister Kamppen bereits im Juni 1801 die Dringlichkeit einer Dachreparatur angemahnt hatte,
4 wurden Dachrinnen und Schieferdach für 1166 sächsische Taler ausgebessert.5 Außerdem flossen 6099 Taler in die untere, 1043 Taler in die mittlere und 677 Taler in die dritte Etage,6 was beträchtlich war. Schon Horst Dauer7 hatte festgestellt, dass es sich bei diesen Baumaßnahmen eben nicht (nur) um einen Ausbau, sondern vor allem um einen Umbau handelte, bei dem ursprünglich vorhandene barocke Zimmereinrichtungen entfernt wurden. Hiervon betroffen waren vor allem das Erdgeschoss und der südliche Teil der Beletage, wo die meisten Räume neuen Deckenstuck und moderne Tapeten erhielten.
Nach dem Tod des Herzogs August Christian Friedrich wird wiederum eine Inventarliste erstellt, die u.a. einige Relikte aus dem Besitz der Bauherrin Johanna Elisabeth enthält:
"Zwei werkene Tischtücher a: 2 blatt mit J. E.
Zwölf werkene Küchen Servietten mit J. E.
Zwanzig Servietten, das ducaten Muster mit J. E."
8
Sicheres Zeichen für das lange Überdauern im Schloss dürften die Bemerkungen "sind verbraucht", "sehr schadhaft" und "ganz zerrissen" sein. Nicht unerwähnt bleibt, dass sich der Pokal "mit dem Fürstenhuth und mit J. E." nicht anfand.8 Interessant auch, dass die oben genannten eisernen Öfen mit töpfernen Aufsätzen aus der Erbauungszeit9 noch vorhanden sind. Alle aufgeführten Gegenstände befanden sich 1819 noch immer am gleichen Ort. Diese Unversehrtheit und Vollständigkeit aller Stücke wiederlegt die Behauptung von der Nutzung als Lazarett während der Befreiungskriege. Hierzu fand sich bisher auch kein schriftlicher Beweis. Aus dem letzten gefundenen Inventarverzeichnis10 geht allerdings auch hervor, dass Wäsche, Tischtücher und Servietten nun abgeschrieben wurden und die wertvolleren Stücke nach Köthen kamen. Die restlichen Möbel werden ins Untergeschoss verbracht.

1796, also vor dem Übergang Dornburgs in den Besitz der Köthener Herzöge werden im Inventarverzeichnis mehrere Uhren genannt
, u. a. "eine Wand und Stuben Uhr Signirt Davied Lesbourgon, London, mit Schwarzlaquirten Gehäuse nebst Uhrschlüßel".1 Zehn Jahre später stehen alle Zeitmesser noch immer im Schloss, jedoch wird nun bemerkt, ob es nicht zweckmäßig wäre, "daß eine davon instand gesetzt und unten im Hause aufgestellet würde. .... Die andern nach Cöthen".8 Letztlich muss man diesem Rat gefolgt sein, da die "Uhr mit laquirten Gehäuse signirt David Lestourgeon"8 noch heute einen Zettel mit der Aufschrift "Zum Herzogl. Inventarium. Schloss Cöthen." trägt. Nachdem sie lange Zeit im Chinesischen Zimmer des Schlosses Wörlitz gezeigt wurde, ist sie nun im Schloss Köthen zu sehen. Leider ist nicht nachweisbar (Abb. 1), ob es sich bei diesem Stück um die Uhr handelt, welche die Zarin Elisabeth Petrowna einst Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst schenkte.11
Abb. 1: Uhr im Schloss Köthen, verziert im Stil chinesischer Lackmalerei, 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, signiert von David Lestourgeon in London, Leihgabe der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz an das Historische Museum Köthen.
Hier der externe Link zu Museen und Ausstellungen im Schloss Köthen.

Im 2. Oberschoss wohnte noch immer der Kastellan und die Küche im Keller bleibt funktionstüchtig eingerichtet. Der Grund zur Ausräumung der Beletage lässt sich nur vermuten. Eventuell waren die Umbaumaßnahmen 1802/03 hier nicht vollendet worden, weswegen auch im nördlichen Teil der Rokokostuck erhalten blieb. Dies würde den baulichen Zustand erklären, den die spätere Besitzerin und Dr. Büttner Pfänner zu Thal oben schilderten. Die kahlen Wände und die fehlenden Türfüllungen legten den Schluss nahe, dass man schon 1758 nicht über den Rohbau hinausgekommen wäre. Der tatsächlich unvollendete Festsaal im 2. Obergeschoss unterstrich diese These, da er keinen Putz erhalten hatte.

Die folgenden Köthener Herzöge hatten große Mühe, den hinterlassenen Schuldenberg abzutragen. Obwohl weiterhin Gärtner mit Gehilfen und Kastellane bezahlt wurden, ist eine dauerhafte Nutzung des Schlosses nicht nachweisbar. Erst Herzog Heinrich (1778-1847, Regent ab 1830) verbrachte hier ab 1831 die Sommermonate12 und ließ hierzu einige Räume im Erdgeschoss des Nordflügels instand setzen.13 Seine Frau, Auguste Friederike Esperance (1794-1855), richtete zu ihrem Geburtstag am 4. August stets eine Feier für die Dorfkinder aus. Dieses Kinderfest entwickelte sich zu einer Tradition, die noch bis nach dem II. Weltkrieg gepflegt wurde.

Das Schloss im Besitz der Familie Hühne (1872-1945)

1872 kaufte Justus Leopold Hühne Gut und Schloss Dornburg. Gewiss war das Schloss mit den Einkünften aus dem Gut nicht zu unterhalten. Trotzdem ist es Familie Hühne gelungen, das historische Baudenkmal zu erhalten. Schon auf dem ersten Foto (Abb. 2) erkennen wir fünf Arbeiter auf dem Dach, dass noch lange Sorgen bereiten sollte.



Das älteste erhaltene Foto des Schlosses von Gustav Völkerling erschien 1894 in Dessau16 und wurde später auch als Postkarte verlegt.


Ein weiteres Problem stellt bis heute der verhältnismäßig geringe Bekanntheitsgrad der Schlossanlage dar. Hier half die damals populäre dänische Schriftstellerin Karin Michaelis (1872-1950). Nachdem sie 1928 durch einen Beitrag in der "Illustrierten Leipziger Zeitung"
14  auf Dornburg aufmerksam geworden war, freundete sie sich mit Liselotte Hühne an. Deren Töchter Ursula und Alexandra wurden im Buch "Bibis große Reise"15 zu Spielgefährten der frei erfundenen Titelheldin. Bibi schreibt in einem Brief ihrem Vater: "Aber weißt du, was ich am allerulkigsten finde? es regnet durch alle Stockwerke durch! Zuerst durch das Dach auf den Boden, der ganz voll ist von Fledermäusen und Habichten und Mardern und Eulen und Mäusen, und dann regnet es in den Rittersaal und von dort in das nächste Stockwerk bis dahin, wo wir wohnen. Denn es wird nur das unterste Stoffwerk benuzt, das hat zwanzig riesengroße Säle. Aber oben, in den nächsten zwanzig Sälen, gibt es eine Unmenge von Möbeln und Spiegeln und Kronleuchtern und Puppenstuben und Puppen so groß wie lebendige Kinder, und Schränke voll von Krystall und Porzelahn, aber alles in einem Kuddelmuddel."15 In den 1920er und 30er Jahren zählten die Bibi-Bücher zur meistgelesenen Kinderliteratur, bis sie von den Nationalsozialisten verboten wurden. Leider scheinen Bibis Abenteuer heute genauso vergessen zu sein wie unser Schloss. Übrigens verhalf Karin Michaelis Bertolt Brecht und Helene Weigel zum dänischen Exil.

Vielleicht wurde das dunkelste Kapitel der Schlossgeschichte nur geschrieben, weil Liselotte Hühne (1894-1977) den Verfall des alten Gemäuers nicht mehr aufhalten konnte. Im Juli 1932 verpachtete sie das Schloss an die SA-Standarte 93 (Anhalt), die es zuerst als Arbeitsdienstlager nutzte. Junge Männer lernten hier Bauberufe, renovierten einige Räume, errichteten aber auch Schießstände. Schon bald nach Hitlers Machtergreifung verwandelte die SA das Schloss in ein sogenanntes "wildes KZ" in welchem sie Regimegegner misshandelte. Danach diente es als Ausbildungsstätte für SA-Unterführer, die offensichtlich keinen langen Bestand hatte, da der Zerbster Landrat schon im Januar 1936 nur noch von der "früheren SA-Sportschule" schrieb.17

weiter

Quellen und Anmerkungen
  1. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 6987: "Inventar des fürstl. Schlosses zu Dornburg vom 23.12.1796"
  2. Gerhard Heine: Geschichte des Landes Anhalt und seiner Fürsten, Verlag Eduard Heine – Köthen, 1866
  3. Albert Kraaz: Bauerngut und Frondienste in Anhalt vom 16. Bis zum 19. Jahrhundert. In: Sammlung nationalökonomischer und statistischer Abhandlungen des staatwissenschaftlichen Seminars zu Halle a. d. S. Bd. 18, Verlag Gustav Fischer – Jena, 1898
  4. LHASA, DE, Abteilung Cöthen, A 13, Nr. 27, Folio 251 und 252
  5. LHASA, DE, Abteilung Cöthen, A 13, Nr. 27, Folio 218
  6. LHASA, DE, Abteilung Cöthen, A 13, Nr. 27, Folio 1
  7. Horst Dauer: Schloßbaukunst des Barock von Anhalt-Zerbst, Böhlau Verlag – Köln, Weimar und Wien 1999, S. 277
  8. LHASA, DE, Abteilung Cöthen, A 13, Nr. 78: "Inventarium der sämtlichen Meubles, Gerätschaften, Wäsche und Betten auß den Herzogl. Anhalt-Cöthenschen Schloß Dornburg" Revidiert im Juni 1809
  9. LHASA, DE, Kammer Zerbst Nr. 1510, Folio 68
  10. LHASA, DE, Abt. Köthen, A 13, Nr. 79
  11. Samuel Lentz: Becmannus enucleatus, suppletus et continatus oder Historisch-Genealogische Fürstellung des Hochfürstlichen Hauses Anhalt und der davon abstammenden Marggrafen zu Brandenburg, Herzöge zu Sachsen und Sachsen-Lauenburg. Cöthen und Dessau 1757, S. 959: "Fünf Tage vor dem Aufbruch nach Kiow beschenkte Ihro Kaiserl. Majest. die Durchl. Fürstin von Anhalt-Zerbst mit einer kostbaren Uhr ..."
  12. Emil Weyhe: Aus der Geschichte des Dornburger Schlosses, Buchdruckerei Wilhelm Brandt – Gommern, 1909
  13. Karl Ulrich: Ein Gang durch die Geschichte Dornburgs. In: „Der Roland“ Beilage der Zerbster Zeitung vom 23.03.1924 und 30.03.1924
  14. Curt Julius Wolf: Ein historisches Baudenkmal in Gefahr, in: Illustrierte Zeitung Leipzig, Bd. 171, Nr. 4355 vom 30.08.1928. Ich danke Herrn Dr. Titze (Leipzig) vom Amt für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt und Herrn Dr. Friedrich vom Museum der Stadt Zerbst. 
  15. Karin Michaelis und Hedvig Collin: Bibi, Leben eines kleinen Mädchens. Zweiter Band, Bibis große Reise. Herbert Stuffer Verlag-Berlin, 1932
  16. Büttner Pfaenner zu Thal, F. F.: Anhalts Bau- und Kunstdenkmäler-Dessau 1894
  17. LHASA, DE, Kreisdirektion Zerbst, Nr. 1096, Folio 51-Folio 53