Schloss Dornburg an der Elbe
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Die Gärten von Dornburg
von Stefan Schüler1
Ein Garten ist ständiger Veränderung unterworfen. Einerseits ist dies mit vergleichsweise geringem Einsatz zu bewerkstelligen, andererseits geschieht es selbständig durch mangelnde Pflege. So blieben von der einstigen barocken Gartenpracht in Dornburg nur noch geringe Reste erhalten. Trotzdem kann man den Ursprungszustand mit Hilfe historischer Quellen und zweier Karten von Siebeck 17662 (Abb. 1) und de Furtenbach etwa 17703 relativ gut rekonstruieren. Hinzu kommt, dass aktuelle Luftaufnahmen den Verlauf der alten Wege erkennen lassen und einige Bäume der alten Bepflanzung noch existieren. Zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts und 1750 entstanden "Alter Garten" und "Neuer Garten" in barocken Formen. Obwohl seit 1760 kein Anhalt-Zerbster Herrscher mehr in Dornburg weilte, wurden Gärtner beschäftigt, welche die bestehenden Anlagen weiter pflegten bis Friedrich August von Anhalt-Zerbst 1793 verstarb und sein Land auf die verbliebenen anhaltiner Fürsten aufgeteilt wurde. Dornburg geriet an Köthen und das Schloss erlebte noch eine kurze Blüte als Sommersitz des Herzogs August. Inzwischen hatte sich Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau im nahen Wörlitz ein klassizistisches Schloss errichten lassen, das von einem großzügigen Landschaftspark im englischen Stil umgeben wurde. Damit waren die streng geformten Barockgärten mitsamt ihren Orangerien aus der Mode gekommen.

Abb. 1: Karte von Siebeck aus dem Jahre 1766 (Ausschnitt).

Alter Garten

Die von hohen Mauern umgebenen Gartenteile in der Nähe des Schlosses werden als "Alter Garten" bezeichnet. Während der Errichtung des ersten Barockschlosses durch Johann Christoph Schütze in den 1730-er Jahren erhielt dieser Gartenteil seine heutigen Umrisse. Die Mauer im Norden entstand 1735 als die restliche Ummauerung schon vorhanden war.4 Der Garten im Norden und im Süden bestand nach Siebeck2 und de Furtenbach3 nur aus einfachen Rasenstücken eventuell mit Buchsbaumbroderie. Solche sogenannten "englischen Luststücke" wurden ab 1750 auch in unmittelbarer Nachbarschaft des Wohnbaus immer beliebter. Ebenfalls zeittypisch war die enge Verbindung von Nutz- und Ziergarten, weswegen im nördlichen Teil ein Gemüse- und Kräutergarten vermutet werden darf. Er wurde 1735 als "Baum Garthen" bezeichnet.4 1747 forderte der Amtmann Niemann Holz für ein "Espalier zwischen Ananas- und Lusthaus" an.5 Diese Form des Obstanbaus hatte gleich mehrere Vorteile. Die Mauern wurden begrünt und vor dem Wetter geschützt. Außerdem war mit einem besseren Ertrag zu rechnen, da das Mauerwerk als Wärmespeicher für die Pflanzen diente.

Außerhalb des Gartens pflanzte man Kopfweiden an. Beim Winterhochwasser bilden sie einen nachwachsenden Schutzschild der Gartenmauer vor Eisschollen. Außerdem wurden aus ihren Zweigen Korbwaren aller Art hergestellt.


Westlich des Schlosses überbrücken Terrassen den Niveauunterschied zum See. Die Arbeitsschritte zur Herstellung solcher Anlagen hatte Dezallier d'Argenville 1709 in seinem Buch "La théorie et la practique du jardinage ..."6 beschrieben. Terrassen und Treppen wurden wohl in den 1730-er Jahren im Zuge des ersten barocken Schlossbaus angelegt aber 1803 ausgebessert und verändert.7

Die Eisgrube wurde vom Hofmaurermeister Carl Wilhelm Christ 1754 nach seiner erhaltenen Entwurfszeichnung
8 errichtet. Ihr gegenüber entstand ein Lusthaus gleichen Aussehens, dessen Unterbau noch vorhanden ist.

Ananashaus und Orangenhaus

Schon im 16. Jahrhundert entstanden Sammlungen exotischer Pflanzen nördlich der Alpen.9 Im 17. Jahrhundert war die Repräsentation von Gewächsen aus südlichen Gegenden zur Pflicht für jeden Potentaten geworden. Neben den beliebten Orangenbäumen wuchsen beispielsweise auch Feigen, Datteln, Lorbeer, Zypressen und Agaven. In Gottorf, dem Geburtsort unserer Bauherrin Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst (1712-1760), und später in Zerbst blühten Aloen, was einem Wunder glich. Der Anblick der Blüte sollte Glück bringen, vor allem war sie ein Prestigegewinn für den glücklichen Besitzer. Somit waren die erheblichen Anschaffungs- und Unterhaltskosten für alle wärmeliebenden Pflanzen durchaus gerechtfertigt.

Johann Christoph Beckmann nannte in seiner 1710 gedruckten "Historia des Fürstenthums Anhalt" erstmals ein Orangeriegebäude in Dornburg. Danach hat Johann Ludwig I. von Anhalt-Zerbst-Dornburg (1656-1704) nach 1674 einen "angenehmen Garten von Bäumen- auch Küchen- und Bluhm-Werck, ingleichen von Außländischen Gewächsen nebst einem Winter-Hause zu Bewahrung derselben anlegen lassen."
10 1739 bat der Dornburger Amtmann C. Mosdorph um Holz für das neue Trieb- und Gartenhaus.11 Einen weiteren Hinweis auf die Existenz eines Orangeriehauses in Dornburg erhalten wir 1747. Der Wunsch des Hofgärtners Unger, welcher in Zerbst ein Gewächshaus für Ananas errichten wollte, wurde von der Bauherrin abgelehnt, da in Dornburg genügend dieser Früchte reifen würden.12 Sicherlich wäre dies ohne eine gute Überwinterungsmöglichkeit unmöglich gewesen. Im selben Jahr forderte der Amtmann Niemann aus Dornburg Holz für ein Espalier zwischen Ananas- und Lusthaus.5
Abb. 2: Rekonstruktionsversuch zum Zustand von 1760.

Wo finden wir dieses Ananashaus?13
Für das genannte Spalier kommen alle Mauern in Nordrichtung nicht in Frage. Tatsächlich zeigen noch Fotos aus den 1920-er Jahren Spalierobst an der südlichen Stützmauer des Schlossberges und hier findet sich auch ein Gewächshaus, das aber erst nach 1872 errichtet wurde. Zu diesem Zeitpunkt erwarb Justus Leopold Hühne Schloss und Gut, weshalb eine detaillierte Aufstellung der Gebäude und mehrere Karten angefertigt wurden,14 wobei die beschriebene Stelle noch unbebaut war. Allerdings ist hier ein "Orangenhaus" verzeichnet, das aber eigentlich nur ein Anbau von etwa 3 mal 5 Metern an der Südseite der alten Scheune ist. In unserem Falle hätte es nicht genügend Platz für die unten genannte Anzahl von Pflanzen bieten können. Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst schrieb am 18. Juni 1754: "auf der Seÿte nach dem kleinen garten woselbst die Orangerie jetzo stehet".15 Dies lässt vermuten, dass westlich des Schlosses ein weiteres Orangeriehaus stand. Aber der Hofmaurermeister Carl Wilhelm Christ nennt diesen Ort 1755 nur den "Orange blaz zu die beÿden hohen Mauern".16 Die Fürstin meinte also mit dieser "Orangerie" nur die sommerliche Aufstellung von Orangenbäumen im Alten Garten, also kein Orangeriegebäude in heutigem Sinne.17

Ein Orangeriebau benötigt außer einer Heizungsanlage, um die teuren Pflanzen vor Frost zu schützen, vor allem Licht. Die notwendige Wärmezufuhr war eine ingenieurtechnische Meisterleistung,
vgl. 9 an eine künstliche Beleuchtung war allerdings nicht zu denken. Da die Orangenbäume aber ohne ausreichend Licht ihre Blätter abgeworfen hätten, musste man den möglichst größten Nutzen aus der vorhandenen Sonneneinstrahlung ziehen. Dies war nur mit einer Fensterfront in Südrichtung möglich. Der dadurch bedingte Wärmeenergieverlust muss beträchtlich gewesen sein, weshalb man in der Dunkelheit die Fensterläden schloss. Dabei sollten wir auch bedenken, dass als Heizmaterial hier fast ausschließlich Holz zur Verfügung stand. Um wenige Orangenbäumchen zu schützen musste also eine Vielzahl einheimischer Bäume geopfert werden, eine Kosten-Nutzen-Rechnung stand aber (noch) nicht zur Debatte. Unter der beschriebenen "Süd-Bedingung" verhindert der Schattenwurf des mächtigen Schlossbaues die Errichtung einer größeren Orangerie im nördlichen oder westlichen Alten Garten. Bei der weiteren Standortsuche half eine Katastrophe. Während der "Jahrhundertflut" im August 2002 bangten die Dornburger um ihre schützenden Dämme, die im Kern wohl auf das 17. und 18. Jahrhundert zurückgehen.18 Der Schlossbereich liegt jedoch größtenteils vor den Elbdämmen, weswegen die jeweiligen Besitzer den Schutt vergangener Tage immer wieder zur Erhöhung des Terrains nutzten und zusätzlich um das Schloss herum einen Entwässerungskanal als Drainage errichten ließen, leider ist dessen Funktionstüchtigkeit aufgrund langer Vernachlässigung momentan anzuzweifeln. Trotzdem ist der größte Teil des südlichen Gartens auch während eines normalen Hochwassers bedroht, 2002 war er überschwemmt. Bei einem viel wahrscheinlicherem Winterhochwasser, welches wegen der auftretenden Eisschollen noch unberechenbarer ist, wären die kostbaren Pflanzen hier in größter Gefahr gewesen. Offensichtlich hat man deswegen im Südgarten an einer Stelle das Gelände aufgeschüttet.

Hier finden sich Reste eines Gebäudes mit einer langen Front nach Süden. Die etwa 1,50 m hohen Fundamente bestehen aus den gleichen Steinen wie das sonst vorhandene Mauerwerk des 18. Jahrhunderts. Die Südmauern haben einen geraden horizontalen Abschluss kurz über dem aufgeschütteten Fußboden, so dass ab hier eine Holzkonstruktion mit großen Fenstern vermutet werden kann.
Für diesen Orangeriestandort spricht auch die noch vorhandene Geländesituation. Er ist über eine notwendig seichte Auffahrt von Westen her, dem Sommerstandort der Orangenbäume,15 erreichbar. Ein 2,23 m breiter Durchbruch, offenbar später vermauert, in gesamter Mauerhöhe ermöglichte die Abfahrt größerer Kübelgewächse. Ein hierzu notwendiger Orangeriewagen wird noch in einem Inventarverzeichnis von 1797 genannt.19

Auf einem Situationsplan des Baumeisters Johann Christoph Schütze von 172620 ist ein Gebäude an unserem vermuteten Orangeriestandort schon vorhanden, aber bedeutend kürzer dargestellt, als die heute vorhandenen Fundamente zeigen. Leider ist die Beschriftung des Planes an dieser Stelle nicht mehr lesbar. Eine größere Anzahl anspruchsvoller Pflanzen hätte dieser Baukörper nicht aufnehmen können. Tatsächlich plante Johanna Elisabeth spätestens 1749 eine Verlängerung des vorhandenen Orangeriegebäudes, der aber offensichtlich verschoben werden musste. Als Ursache können wir nur den Schlossbrand von 1750 vermuten. In den Protokollen der Zerbster Kammer von 1751 lesen wir, dass schon seit zwei Jahren in Dornburg Holz zur Verlängerung der Orangerie lagert, nun unbrauchbar zu werden droht und deshalb für den Schlossneubau verwendet werden soll.21 Für die tatsächliche Ausführung der Vergrößerung finden sich leider heute keine Rechnungen mehr. Trotzdem muss spätestens nach 1730 diese Orangerie vergrößert oder neu erbaut worden sein, weil Siebecks Lageplan von 17662 (Abb. 1) ein langgestrecktes schmales Gebäude zeigt, das zweifelsfrei auf den oben beschriebenen Fundamenten stand.

Welche Pflanzen waren in Dornburg?
Während es sich bei den von Johann Christoph Beckmann genannten "Außländischen Gewächsen"10 noch um relativ anspruchslose Pflanzen (z. B. Lorbeer und Zypressen) gehandelt haben dürfte, sind später auch aufwändigere Pfleglinge hinzugekommen. Es wurde schon erwähnt, dass 1747 in Dornburg Ananas reiften.12 Gerade diese schienen der Fürstin besonders am Herzen zu liegen. Bei seiner Einstellung als Gärtner musste Johann Adolph Cantzler ein Treuegelöbnis ablegen und bekam am 13. Juli 1751 eine "Instruction".22 Danach hatte er "auch die Asparges, Melonen und alle andere nöthige Wurtzel und Garten-Sachen in Überfluß zu beschaffen und anzulegen, nicht minder die ihm anvertraute Orangerie auch andere Gewächse und Pflantzen, sie haben Nahmen wie sie wollen / besonders die Annanas / zu allen Zeiten ... in guter Aufsicht zu halten, deßhalb auch zu der Zeit, wann solche geheitzet werden, die behörige Vorsicht zu gebrauchen, damit kein Schade oder Unglück durch Feuer und Licht geschehe."22 Da im selben Dokument auch noch die Öfen "von denen Gewächß und Orangen-Hauße" genannt werden, können wir von mindestens zwei festen und beheizbaren Pflanzenhäusern ausgehen.

Einen weiteren Hinweis auf die vorhandenen Pflanzen erhalten wir in einer "Specification derer besten Orangen Bäume zu Dornburg."
23 Diese Zusammenstellung ist zwar undatiert aber aufgrund ihrer Akteneinordnung wohl auf das Jahr 1770ff anzusetzen. Sie umfasst 57 "Pommerantzen", 14 "Pommosinen", 14 "Zitteronen", 8 "Zittronath", 4 "Pommodomen" und 5 "Melerosen". Deren Größe schwankt zwischen einem einzigen über 2 m hohen Pomeranzenbaum und einigen etwa 1,20 m hohen Zitronenbäumen.

Wie uns die bereits genannten Ananas aus Dornburg zeigen, nutzte man die exotischen Pflanzen nicht nur zu Repräsentationszwecken im Garten, sondern war auch in der Lage, die fürstliche Tafel damit zu bereichern. Die Zitrone (Citrus limon L.) ist uns auch heute wohlbekannt und wurde schon damals z. B. als Säuerungsmittel, zur Verfeinerung von Salat, Fisch- und Wildgerichten und für Soßen verwendet. Limonade war bereits im 17. Jahrhundert schon so beliebt, dass in Frankreich ein neuer Berufsstand der "Limonadiers" entstand.

Die Pomeranze (Citrus aurantium L., auch Bitterorange genannt) erfreute sich im 17. und 18. Jahrhundert großen Zuspruchs, was wohl vor allem darauf beruht, dass sie das Klima nördlich der Alpen relativ gut verkraftet. Ihre Blüten sind strahlend weiß, die Früchte leuchten orange und machen sie zu einem Blickfang des Gartens. Pomeranzenmarmelade gilt noch heute als Delikatesse. Außerdem konnte man aus fast allen Pflanzenteilen ätherische Öle extrahieren. In einer Zeit, wo man lieber den Kontakt mit Wasser vermied waren übertünchende Düfte unentbehrlich.

Zweifellos müssen wir uns unter den oben genannten "8 Zittronath" die Zedrat - oder Zitronat-Zitrone (Citrus medica L.) vorstellen. Wie die Pomeranze ist sie als Frischobst ungenießbar aber ihre Schale dient zur Herstellung des Zitronat, welches uns aus den Weihnachtsstollen bekannt ist und früher in der Konditorei häufiger benutzt wurde.

Die "Melerosen" sind heute ungebräuchlich. Nach der Beschreibung Johann Christoph Volkamers aus dem Jahre 1708
24 haben sie "einen gantz besondern sehr angenehmen und lieblichen Geruch / womit sie dem Rosen - Holtz gleichen / dahero auch den Namen Mela Rosa mögen erhalten haben."24 (Abb. 9) Als nahe Verwandte dürfte die Bergamotte gelten, die heute noch in Südfrankreich zur Parfümherstellung dient. Aus den Dornburger "Melerosen" könnte man also Duftwässerchen extrahiert haben, die man auch gern in einer Schale auf dem Ofen verdunsten ließ.

Bei den "Pommosinen" kann es sich nur um den von Volkamer
24 beschriebenen "Pomo da Sina" (= Apfel aus China, Citrus sinesis L.) handeln, den wir heute als Apfelsine kennen. Im Unterschied zu den heutigen Früchten hatten die "Pommosinen" aber Kerne, eine dickere Schale und dürften im Schnitt kleiner ausgefallen sein.

Hinter den "Pommodomen" können wir nur den "Pomo d' Adamo" (=Adamsapfel) mutmaßen. Der schon zitierte Volkamer beschreibt ihn folgendermaßen: "Wann der solche Früchte tragende Baum in dem Erdboden stehet / wird er groß und hoch / wächste aber dabey gerne störricht / dass man grosse Mühe anwenden muß / eine schöne crone an selbigen zuwegen zu bringen; er hat einige Stacheln / und seine Blätter sind länglicht rund / anbey dicklicht und zum theil krauß; die Blumen grösser als bey denen Pomerantzen / und aussenher ein wenig röttlicht / haben aber einen gar schlechten Geruch / wie dann unter allen Agrumi, diese Blühe und Frucht / vor die allerschlechteste gehalten wird / weil sie nicht wol zu nutzen / als bloßhin zur Zierde / indeme sie etwas groß wird / wobey insonderheit anzumercken / dass diese Früchte / wann sie nach abgefallener Blühe zu wachsen anfangen / eine gantz dunckele und schwartz-grüne Farbe haben / daher sie auch die schwartze Citronen in Holand genennet werden / sie sind gantz rund / und obenher in etwas eingedruckt / als hätte man einen Biß mit den Zähnen darein gethan / davon sie die Adams-Aepffel genennet werden / gleich als ob der Biß unseres ersten Stamm-Vatters des Adams in die verbottner Frucht / dadurch angedeutet würde." (Abb. 10)
24 Der Adamsapfel war vor allem als Pfropfunterlage für Pomeranzen beliebt.25

Was geschah mit den Pflanzen und Gebäuden?
Wegen einer Spionageaffäre flohen Johanna Elisabeth und ihr Sohn, Friedrich August von Anhalt-Zerbst (1734-1793), 1758 ins Ausland. Sie verstarb zwei Jahre später in Paris, und er lebte fortan u. a. in Basel und Luxemburg. Das Land wurde von einem Geheimratskollegium regiert, das dem Fürsten Geld für sein Militär besorgen musste. Weder der Kaiser noch seine Schwester, Katharina II. von Russland (1729-1796), konnten Friedrich August dazu bewegen, nach Zerbst zurückzukehren und die Regierungsgeschäfte selbst in die Hand zu nehmen.26 Obwohl Schloss Dornburg also nach 1758 von keinem Zerbster Fürsten mehr besucht wurde, waren die Gärtner weiterhin beschäftigt und die Orangerie wurde nach wie vor jeden Winter beheizt, was in Zeiten knapper Kassen sogar dem Fürsten selbst wenig verständlich erschien. So teilte Friedrich August am 24. März 1771 seinen Räten mit, dass die Orangerie in Dornburg und Friederikenberg27 "zu ihrer Unterhaltung und Feuerung viel Kosten und Holz erfordert."28 Deshalb sollten die Pflanzen "unter der Hand, in einzeln oder ganzen, abgeschaffet und zu Geld gemacht"28 werden. Wohl aus diesem Grunde kam es zu oben zitierter "Specification derer besten Orangen Bäume zu Dornburg".23 Nachdem man 1769 für 24 Orangenbäume aus den Gärten in Zerbst und Dornburg den hohen Preis von 3000 Talern erzielt hatte,29 liefen diese Geschäfte dann schlechter. In den Jahren 1771 bis 1777 werden immer wieder die Fensterscheiben in den Dornburger Orangeriehäusern repariert.30 1779 erhielt Meister Grabe 16 Taler 6 Groschen 6 Pfennige "für Zimmerarbeit an die Orangerie Häuser".31 Da in den Jahren 1781 und 1783 wieder Orangenbäume aus den Gärten in Zerbst und Friederikenberg verkauft wurden,32 scheint hier etwas Platz geworden zu sein, denn 1786 wurde der gesamte Orangenbestand von Dornburg nach Friederikenberg transportiert.33 Dafür erhielten die Hohenlepter Anspänner 10 Taler 16 Groschen, die Kossäten zu Dornburg 24 Taler 12 Groschen, die Großlübser Bauern 12 Taler 12 Groschen, die Gödnitzer Anspänner 5 Taler und die Tagelöhner 8 Taler 3 Groschen.33 Anhand dieser Transportkosten kann man den Umfang der Orangerie nur erahnen. Am 31. Januar 1787 schreibt der Gärtner Johann Ludwig Müller aus Friederikenberg an die Kammer Zerbst, dass "unter dene 200 Dornburger Orangenbäumen, kaum 30 bis 40 Stück sein, deren Kübel Bodens haben".34 Im selben Jahr scheint man auch das Dornburger Orangeriegebäude bereits abgerissen oder umgebaut zu haben, da "Friedrich und Consorten"35 bezahlt werden, "die Fenster aus dem großen Gewächshause nach dem Fürstl. Schlosse zu bringen".33

Im Rechnungsjahr 1749/50 gab die Zerbster Kammer den nicht unbeträchtlichen Betrag von 84 Talern und 12 Groschen "für 80 Stück verschiedenen Sorten Bohlen zur Bagode"
36 aus. Die bereits mehrfach zitierten Karten des 18. Jahrhunderts2 und 3 verzeichnen keinerlei Gebäude im "Neuen Garten", so dass die genannte Pagode, ein kleiner Pavillon im damals beliebten chinesischen Stil, nur im Alten Garten gestanden haben kann, wo an der Westmauer vier Gebäude eingezeichnet sind. Der Bau am Südwestende wird um 1871 als "Kegelbahnhaus mit Kegelbahn"14 bezeichnet, sein Nachbar als "Obstdarre".14

weiter mit Lindenalle und Kugelsonnenuhr

Quellen und Anmerkungen
  1. Ich bedanke mich für Materialien, Hinweise und Unterstützung bei Oranna Dimmig (Berlin), Erhard Micklisch † (Dornburg) und Rolf Thiel (Zerbst).
  2. D. Siebeck, Grundriss von Dornburg, 1766, Feder in Schwarz und Braun über Graphit, aquarelliert, 70,5 x 69,8 cm, Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Graphische Sammlung, Inv. Nr.: Z II 2184.
  3. J. J. de Furtenbach, 1770/75 "Geometrischer Grundriß von Dornburg nebst den dazu gehörigen und einigen angrenzenden fremden Grundstücken." Sign. u. beschr. r. u.: primo dimensum i D. Siebeck Recognitum, emendatum et in novam Faciem deductum a' J.J. de Furtenbach. Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Graphische Sammlung.
  4. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 3198, Folio 14 Vorderseite bis Folio 16 Vorderseite.
  5. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 3198, Folio 23.
  6. Dezallier d'Argenville: La théorie et la practique du jardinage ..., Paris, erstmals 1709.
  7. LHASA, DE, Abteilung Köthen, A 13, Nr. 27, Folio 290.
  8. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 2367, Folio 70 Vorderseite.
  9. Wo die Zitronen blühen ..., Katalog zur Ausstellung in der Orangerie im Neuen Garten in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e. V., 8. Juli bis 9. September 2001, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
  10. Johann Christoph Beckmann: Historia des Fürstenthums Anhalt - Zerbst, 1710, VI. Kap., Seite 345.
  11. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 8179, Folio 60.
  12. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 4699, Folio 118.
  13. Zur damaligen Zeit bezeichnete man die beheizbaren Gebäude zur Überwinterung exotischer Pflanzen oft nach der vorherrschend vorhandenen Pflanzenart, also z. B. Pomeranzenhaus, Ananashaus oder Orangenhaus. Wobei solche Gebäude manchmal zum Winter über die Pflanzen errichtet und zur warmen Jahreszeit wieder abgebaut wurden. Vgl. die Ausführungen zu Orangeriegebäuden in: Anmerkung Nr. 24.
  14. LHASA, DE, DAK Nr. 112: „Acten der Dominal Auseinandersetzungs-Commission in Dessau betreffend die Herzogl. Domainen Dornburg und Buhlendorf, Tit. II, Litr. D2, Nr. 1, angefangen im Jahre 1869, geschlossen 1870“ und LHASA, DE, DAK Nr. 112.
    „Acten der Dominal Auseinandersetzungs-Commission in Dessau betreffend die Herzogl. Domainen Dornburg und Buhlendorf, Tit. II, Litr. D2, Nr. 4, angefangen im Jahre 1869, geschlossen 1870“ im Zusammenhang mit einer Karte von Stellmacher im Besitz der Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Graphische Sammlung.
  15. LHASA, DE, Kammer Zerbst Nr. 2367 Folio 37 Vorder- und Rückseite.
  16. LHASA, DE, Kammer Zerbst 2367, Folio 168 Vorderseite.
  17. Gabriele Uerscheln und Michaela Kalusok: Kleines Wörterbuch der europäischen Gartenkunst - Stuttgart 2001, S. 188:  "Orangerie (frz, 'Orangenhaus'), ..... Im 17. und 18. Jh. wurde der Begriff auch für jeden Platz in einem Garten verwendet, an dem Orangen- und Zitrusbäumchen in mobilen Kübeln während der Sommermonate Aufstellung fanden...."
  18. Forschungen von Erhard Micklisch aus Dornburg leider bisher nicht veröffentlicht.
  19. LHASA, DE, Abteilung Köthen B20, Nr. 24 Folio 163 Vorderseite - 164 Vorderseite.
  20. Lageplan des Dornburger Schlossbezirks, undat. und nicht unterschrieben, beschriftet vom Baumeister Johann Christoph Schütze, Bausituation zwischen 1720 und 1730, Anhaltische Gemäldegalerie Dessau, Graphische Sammlung.
  21. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 6690, Folio 58 Rückseite, Vorgang 262. 
  22. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 724, Folio 29 bis 33.
  23. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 3509 Folio 5 Vorderseite.
  24. Johann Christoph Volkamer: Nürnbergische Hesperides - Nürnberg, 1708.
  25. Johann Sigismund Elßholtz: Vom Garten-Baw – Berlin, Leipzig, Cölln, 1684
    Neudruck der Ausgabe aus der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle, Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York, 1987, Seite 24.
  26. Reinhold Specht: Geschichte der Stadt Zerbst in 2 Bänden, herausgegeben von der Stadt Zerbst anläßlich der 1050 Jahrfeier, Anhaltische  Verlagsgesellschaft mbH Dessau, Verlagsbuchhandlung Friedrich Gast Zerbst, Zerbst, 1998.
  27. Schloss Friederikenberg in der Nähe von Tochheim an der Elbe, erhalten blieb nur der Haupteingang. 
  28. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 3509 Folio 2 Vorderseite.
  29. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1769/70, Seite 83.
  30. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1771/72, Seite 203 und 1772/73, Seite 203 bzw. 1774, Seite 153 und 1777, Seite 169f .
  31. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1779, Seite 190.
  32. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1781, Seite 91 bzw. 1783, Seite 91.
  33. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1786, Seite 201.
  34. LHASA, DE, Kammer Zerbst, Nr. 3509 Folio 27 Vorderseite.
  35. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1787, Seite 257.
  36. LHASA, DE, Kammerrechnungen Zerbst 1749/50, Seite 242.